Coffee Talk mit David
„Wow cool, du bist Frisör!“, sind viele positiv überrascht, wenn sie David begegnen. Lange Haare, Temperament, Ausstrahlung – David verkörpert den typischen italienischen Frisör. „Wie sehen meine Haare aus?“, wollen die meisten beim ersten Gespräch wissen. David gibt gerne Empfehlungen für seine potentiellen neuen Kund/innen.
Matura, was nun?
David ist in Italien aufgewachsen und hat dort die Schule besucht. Nach der Matura stellte er sich die Frage aller Fragen: Was tun? Was soll man bloß mit dem eigenen Leben anfangen? David hat nie daran gedacht, Frisör zu werden, bis sein Vater eines Tages meinte, er solle doch eine Ausbildung in Österreich starten. In einem Frisörsalon in Salzburg war ein italienischer Bekannter des Vaters auf der Suche nach Lehrlingen. David beschloss kurzerhand in Salzburg eine Lehre zum Frisör zu beginnen. Er wollte es einfach ausprobieren. Sollte es keinen Spaß machen, konnte er jederzeit abbrechen und einen anderen Weg einschlagen. Nachdem seine Mutter aus Österreich kommt, beherrschte David die deutsche Sprache schon ganz gut.
Einfach machen, machen, machen!
Die Arbeit ist eine Mischung aus Handwerk und Kreativität. Der wohl wichtigste Aspekt ist jedoch der Umgang mit Menschen. Wenn die Leute dich nicht mögen, wirst du keine Kund/innen haben. David wusste schon immer, dass er mit Menschen gut umgehen kann und ist extrem gerne unter Leuten. Außerdem muss man als Frisör ein sehr soziales Leben führen. Wenn man nach der Arbeit bloß zu Hause sitzt, werden keine neuen Kund/innen gewonnen.
Es ist auch ein Job, in dem man aktiv sein und sich selbst weiterentwickeln muss. David hat sich vieles selbst beigebracht. YouTube und Instagram sind dabei wichtige Informationsquellen. Niemand wird auf dich zukommen, dich an die Hand nehmen und dir schrittweise Neues beibringen. Der Fortschritt liegt ganz alleine am eigenen Engagement. Vieles hat David im Privaten erprobt: Sein erster Haarschnitt, bei dem ein Freund herhalten musste, hat zweieinhalb Stunden gedauert. Zu Beginn spielte vor allem die Angst mit, Fehler zu machen, ein Loch zu schneiden. Man muss sich die Tätigkeit jedoch einfach zutrauen. Bei den Freunden war er schnell bekannt: Sechsertragerl Bier gegen einen Haarschnitt.
David hat seither noch nie eine Frisur verweigert, weil er das Gefühl hatte, dass er diese nicht umsetzen kann. Es ist wichtig, Verschiedenes auszuprobieren und offen gegenüber Neuem zu sein. Die Devise lautet: Machen, machen, machen! Und das zahlt sich auch aus: Normalerweise wird man erst nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung im Salon zugelassen; David war bereits nach dem ersten Lehrjahr voll im Salon tätig.
„Haare sind das beste Makeup und Outfit, das man tragen kann.“
Täglich Leute glücklich zu machen, ist das schönste am Job. Einer Person das Gefühl zu geben, sich wohler und schöner zu fühlen, macht einen selbst glücklich. David geht offen auf Menschen zu, bringt sich in den Stylingprozess ein und teilt seine Vorstellungen mit. Leute wissen selber oft nicht, was sie in Bezug auf Haare wollen – hier kommt David ins Spiel.
Davids Arbeitstag beginnt um neun Uhr im Salon. Zuerst werden die Termine des Tages vorbereitet und er stellt sich auf die bevorstehende Kundschaft ein. Gleich kommen auch schon die ersten Kund/innen. Danach ist alles organisiert und es geht durch bis am Abend. Die Zeit verfliegt im Nu. Wenn etwas weniger zu tun ist, kümmert sich David um Produktbestellungen. Es werden Shampoos, Pflegen oder Farben, die einerseits im Salon verwendet und andererseits verkauft werden, nachbestellt. Man muss nebenbei ein guter Verkäufer sein. Auch das ist Übungssache. Nach der Arbeit powert sich David beim Laufen, Fahrradfahren oder Klettern aus.
Mundpropaganda ist für David die beste Werbung. Eine zufriedene Person kann zu etlichen weiteren Kund/innen führen. Laut David spricht eine Kundschaft, die zufrieden ist, mit durchschnittlich zwei weiteren Menschen darüber. Unzufriedene Kund/innen hingegen reden durchschnittlich mit sieben anderen über das negative Erlebnis. Das kann schnell zu einem Rufschaden führen. Zufrieden Kund/innen haben daher oberste Priorität. David bietet stets an, nochmal vorbeizukommen, wenn etwas nicht gefallen sollte.
Die Pandemie
Im Vergleich zu anderen Branchen empfindet David die Veränderung im Salon durch die Pandemie nicht gravierend. Natürlich hat Abstand halten und Maske tragen die oberste Priorität. Komisch ist vor allem, wenn beispielsweise bei der Begrüßung oder beim Abschied, nicht die Hand gegeben werden kann. So ist es schwieriger geworden, zu den Kund/innen eine persönliche Verbindung aufzubauen. Respektlos findet David vor allem, wenn der Salon ohne Maske betreten wird. Das zeigt, wie egoistisch manche Menschen sein können: Man muss für eine Stunde eine Stoffmaske tragen, die Angestellten haben diese den ganzen Tag auf. Eine neue Frisur bekommt, wer Maske trägt. Daneben dominiert die Corona-Thematik jeden Smalltalk.
Wenn der Job zur Routine wird
Mit Menschen zu arbeiten ist sehr schön, kostet aber gleichzeitig viel Energie. Es gibt Menschen, die schlecht drauf sind und negative Energie ausstrahlen. Man selbst darf keine negativen Gefühle aussenden und muss die der anderen kompensieren. Es gibt Menschen, die gerne streiten und Konflikte suchen. Wichtig ist es, diese nicht persönlich zu nehmen.
Auch wenn darüber nie oder nur selten gesprochen wird, ist Erschöpfung in der Branche ein Thema. David selbst wurde vor einiger Zeit bewusst, dass seine Arbeit immer mehr zur Routine wird und er langsamer wird. Es bringt nichts, zu viel zu arbeiten und dabei das eigene Wohlbefinden zu vernachlässigen. Das zu erkennen und dem entgegenzuwirken fällt vielen schwer.
Nachdem er das Stundenausmaß im Salon etwas reduziert hat, bleibt nun mehr Zeit für Freelance-Shootings und andere künstlerische Tätigkeiten. David ist gerne im Bereich Mode und Werbung tätig. Er hat Spaß daran, sich kreativ auszudrücken und auszuleben. So lernt er neben der klassischen Realität im Salzburger Salon auch die etwas verrücktere Mode- und Werbebranche kennen. Hier kann es schon mal vorkommen, dass Haare abrasiert oder blau gefärbt werden, was im Salon kaum der Fall ist.
Laufsteg in Mailand?
David würde sich gerne irgendwann selbstständig machen. Styling für Laufstege wäre sein großer Traum. Es geht jedoch nicht darum, sich einen Namen zu machen. Vielmehr ist ihm wichtig, den Menschenkontakt nicht zu verlieren und den Leuten ein gutes Gefühl zu geben.
Eventuell möchte David auch einmal seinen eigenen Salon aufmachen. Was ihn im Moment jedoch noch davon abhält, ist die fixe Bindung an einen Ort. Flexibilität steht im Moment weit oben.
„Accontentarsi: Glücklich sein mit dem, was man hat und das Beste daraus machen“
Neben den Ideen für die Zukunft, ist es wichtig, sich glücklich zu schätzen mit dem, was man hat – einfach im Moment zu leben. David steht dem ganz gelassen gegenüber: Alles passiert zum richtigen Zeitpunkt.
Inspiration holt sich David vor allem durch Magazine, die im Salon aufliegen. Auch online kann man unendlich viel Inspiration finden. Außerdem findet David, dass man Kreativität üben kann. Zum Beispiel durch das Betrachten des Schönen. Es ist wichtig, sein eigenes Konzept von Schönheit aufzubauen und den eigenen Stil zu finden; ein Prozess der Ausdauer und viel Mut bedeutet.
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